Krieger und Soldatenkameradschaft
Martinszell
Vereinschronik 1876 - 1996
1876: Die Gründungsversammlung des „Veteranenvereins Martinszell" fand
laut authentischen Aufzeichnungen im Jahre 1876 in der ehemaligen
Landerer-Wirtschaft statt.
Gründer waren Teilnehmer der Feldzüge 1866 und 1870/71.
Es waren Groß- und Urgrossväter heute noch bestehender Familien mit
Namen wie Weixler, Vogler, Gruber, Sommer, Lingenhöl, Trunzer usw.
Die Gründung solcher Vereine war eine grundsätzliche, soziale Notwendigkeit. Es gab schliesslich
keine Versorgung für die heimgekehrten Kriegsversehrten oder Kriegerwitwen.
Darüber hinaus waren die Vereinsziele:
- Gedankenträger zu sein für eine Gesetzgebung, welche endlich jenen
Rechnung trug, die bereit waren, ihre Gesundheit fürs Vaterland zu
opfern, das Verständnis an die junge Generation weiterzugeben, dass der
wehrhafte Mann in aufrechter Gesinnung mit Heimattreue und Vaterlandsliebe die Voraussetzung ist,
dass ein Volk selbstbewusst und eigenständig leben kann.
1884 Die erste Vereinsfahne wird angeschafft (siehe Titelseite).
1914 Im ersten Weltkrieg waren Martinszeller Väter und Söhne an allen
Fronten eingesetzt:
- Namen wie Arras, Lothringen, Ypern, Nancy-Epinal, St. Quentin, Maas,
Somme
1918 Flandern, Cambrai, Artoi, Verdun rufen erbittert geführte
Schlachten
in Erinnerung - an der Ostfront, in Tirol, Serbien, Galizien, Rumänien,
in
den Karpaten, am Isonzo ... .
Die traurige Bilanz: 50 Gefallene, 39 Vermisste.
1919 "Vorüber sind die schweren Kriegsjahre, und die Wogen der
Revolution, die unserem teuren Vaterland so schweren Schaden zufügten, haben sich geglättet..." berichtet der Chronist Leonhard Gast am
26. Januar 1919.
Teilnehmer des ersten Weltkrieges haben sich zusammengefunden, um die
Vereinstradition
fortzusetzen. Gleichzeitig wurden die Statuten überarbeitet
und der
Vereinsname geändert
in „Krieger- und Veteranen Verein".
Die Neuwahl ergab folgendes Ergebnis:
1. Vorstand: Trunzer, Wilhelm
2. Vorstand: Hagspiel, Martin
Schriftführer: Reichart, Josef u. Gast, Leonhard
Kassier: Sommer, Johann Bapt.
Fähnrich: Lingenhöl, Fridolin
Der 1. Vorstand des alten Vereins, Bgm. Mathäus Trunzer, wurde zum
Ehrenvorstand
ernannt.
1920 Am 5. April 1920 wurde in einer außerordentlichen
Generalversammlung
die Anschaffung einer neuen Vereinsfahne beschlossen. Welchen Opfersinn
schon
unsere Väter hatten, wird ersichtlich, wenn man liest, dass die Fahne
7000 RM gekostet
hat, und der Betrag aus Spenden gedeckt wurde.
In einer Ausschußsitzung am 20.11.20 wurde beschlossen, dem erkrankten
Mitglied M.
Brunold eine Unterstützung von 100 RM aus der Vereinskasse zukommen zu
lassen.
Der Jahresbeitrag 1920 beträgt 10 Reichsmark.
Zum Weihnachtsfest 1922 erhält die bedürftige Kriegerwaise Kreszenz Wild
aus
Kurzberg ein Sparbuch mit 100 RM mit der Bedingung, dass das Geld erst
nach
Volljährigkeit abgehoben werden darf.
1922 „... galt der 31.08.22 der Weihe des schönen und würdigen in seinem
Festschmuck
geradezu prächtig wirkenden Monuments, das die dankbare Gemeinde ihren
gefallenen
Söhnen erbaute. Die Fahnen senkten sich zur Ehrung der unvergesslichen
Söhne der
Gemeinde - so an der Zahl - deren Namen mit Datum u. Ort ihres
Heldentodes die
drei Marmortafeln tragen ..."
Erstes Kriegerdenkmal
(so ein Zeitungsbericht über die Weihe des ersten Kriegerdenkmals gegenüber der
ehemaligen Landererwirtschaft) Die Kosten in Höhe von 23503,-- RM wurden durch
Spenden
gedeckt.
Von diesem Jahr an ging jeder Generalversammlung eine Gefallenenehrung
am
Kriegerdenkmal mit Kranzniederlegung und Böllersalven voraus.
1923 Der Vereinsbeitrag wird auf 50 RM festgesetzt.
Mitgliederstand: 7 Ehren- und 116 ordentliche Mitglieder.
1926 Die Heimatzeitung berichtet: „In aller Stille und Einfachheit, aber
dafür um so
herzlicher, feierte der Krieger- und Veteranenverein Martinszell, hier
verbunden mit
dem Tage des alljährlichen Gedenkens an unsere toten Helden, am 22.11.26
sein
50 - jähriges Stiftungsfest. Erster Vorstand Wilhelm Trunzer entwarf in
seiner Festrede
ein Bild über die vergangenen 50 Jahre seit Bestehen des Vereins. Leider
ist die
Vereinschronik bei einem Brandunglück verlustig gegangen, doch konnte er
die
Gründungsmitglieder aus dem Gedächtnis vollständig aufführen: 24
Kameraden waren
es, die im Jahre 1876 den Verein gründeten; 3 davon waren an der Feier
anwesend ..."
1928 Auszug aus den Büchern:
„Ein tief bedauerlicher Unfug herrscht hier in allen Vereinen. Es ist
die schlechte Beteiligung
bei allen Anlässen, wo der Verein ausrücken muss. Obwohl dies ständig
gerügt wurde und
Vorstand Trunzer mit seinem Rücktritt drohte, ist keine Besserung
wahrzunehmen;"
Oder „... wurde veranlasst, dass der Anzug bei bestimmten Anlässen
möglichst dunkel sei.
Aber nur wenige Mitglieder sind mit Frack und Zylinder erschienen. Herr
Leutemayer hat sich
bereit erklärt, Aufträge über derartige Anzüge herzlich entgegen zu
nehmen."
1933 Im Protokollbuch erscheint am 12.10.1933 zum ersten Male die
Bezeichnung
„Vereinsführer" anstelle von Erster Vorstand. Auch die Namen Hitler und
Hindenburg
stehen geschrieben. Die Musikkosten am Jahrestag und bei Beerdigungen
von Veteranen
sollen von der Gemeinde übernommen werden - so ein Antrag.
Vereinsbeitrag: 2 Reichsmark.
1941 Vereinsfahnen dürfen in der nationalsozialistischen Zeit auf den
Straßen nicht mehr
öffentlich gezeigt werden.
1944 Vereinsführer Trunzer legt sein Amt nieder, da nur NSDAP-Mitglieder
solche Ämter
bekleiden dürfen. Als neuer Vereinsführer wurde Ortsgruppenleiter Hans
Sommer
bestimmt. Es waren praktisch keine Vereinsaktivitäten mehr gestattet. Im
Zweiten
Weltkrieg waren die Väter und Söhne aus Martinszell auf allen
Kriegsschauplätzen in
Europa und Afrika, zu Lande, zu Wasser und in der Luft eingesetzt.
67 Gemeindebürger sind gefallen, 39 werden vermisst.
Auch ihre Namen sind auf dem Kriegerdenkmal eingemeißelt.
1952 Im Jahre 1952 wurde der Verein neu gegründet und
„Kriegerkameradschaft Martinszell"
getauft. Zum 1. Vorstand wurde Karl Müller gewählt.
Der Vereinsbeitrag beträgt 2.—DM.
Schriftführer L. Gast schreibt: „Die Tätigkeit des alten
Veteranenvereins ist hiermit
abgeschlossen. Möge dem neuen Verein wieder eine bessere und ruhigere
Zeit
beschieden sein, frei von Krieg und Notzeiten, dass er blühen und sich
entfalten könne
und die Kameradschaft auf's höchste gepflegt werde."
1953 Der Verein zählt bereits 136 Mitglieder.
1957 Das Kriegerdenkmal wurde erweitert und renoviert. Die Kosten von
5.500 DM wurden
von Bürgern gespendet.
1964 Um auch den jungen Soldaten der inzwischen neu entstandenen
Bundeswehr den Beitritt
zum Verein zu ermöglichen, erfolgt 1964 die Umbenennung in „Krieger- und
Soldatenkameradschaft Martinszell".
1965 Die Vereinsfahne wird repariert und zusätzlich mit dem
Gemeindewappen und den
Jahreszahlen des zweiten Weltkrieges bestickt.
1968 Am Kriegerjahrtag 1968 standen zum ersten Male zwei junge Soldaten
der Bundeswehr
Ehrenwache am Kriegerdenkmal.
1971 Ein Ehrenzug des Jagdbombergeschwaders 34 Memmingerberg stellt die
Ehrenwache
bei der Gefallenenehrung.
1972 Wegen der Straßenverbreiterung in Martinszell muss das mit vielen
finanziellen Opfern
errichtete Kriegerdenkmal weichen. Mit großzügiger Unterstützung durch
Pfarrer
Thome wurde
ein neues Ehrenmal unter Einbeziehung der alten Ehrentafeln
auf dem
neuen Friedhof errichtet.
Darüber mahnen in großen silbernen Lettern:
"Herr, lass uns Werkzeug für den Frieden sein"
Neues Kriegerdenkmal
1973 Auf Anregung des zweiten Vorstandes, Oberstlt. Günther Stransky,
Leiter Schulstab in
Kaufbeuren, stellte ein Ehrenzug seiner Einheit beim Gedenkappell die
Ehrenwache am
Kriegerdenkmal. Aus dieser jährlich wiederkehrenden Geste erwächst eine
bis heute
dauernde Patenschaft.
1976 Sein 100-jähriges Bestehen feierte die Krieger- und
Soldatenkameradschaft Martinszell
am 18. und 19.09.1976 mit einem Festabend im Adlersaal sowie einem
Feldgottesdienst
auf der Wetzelwiese. Neben den zahlreichen Fahnenabordnungen waren der
Österreichische Kameradschaftsbund, unter Führung von Franz Zangerle,
Imst/Tirol
sowie der Ehrenzug der Bundeswehr aus Kaufbeuren zu Gast.
1985 In der Mehrzweckhalle Waltenhofen findet ein Wohltätigkeitskonzert
mit dem
Luftwaffenmusikkorps 1 Neubiberg zu Gunsten der Kriegsgräberfürsorge
statt.
Karl Müller, seit Wiedergründung des Vereins 1952 Erster Vorstand,
bestand auf einer
Verjüngung der Vereinsführung und trat deshalb nicht mehr zur Wiederwahl
an.
Sein Nachfolger wurde der bisherige Stellvertreter Günther Stransky.
1986 In Würdigung seiner Verdienste um den Verein (33 Jahre 1. Vorstand)
wird Karl Müller
zum Ehrenvorstand ernannt.
1987 Höhepunkt der Generalversammlung am 07.11.1987 war die Übergabe der
alten
Vereinsfahne von 1884 an die 8. Inspektion der Technische Schule der
Luftwaffe Kaufbeuren.
Damit wurde die langjährige kameradschaftliche Verbindung der Krieger-
und Soldatenkameradschaft Martinszell mit den aktiven Soldaten der Bundeswehr
bekundet und besiegelt.
Die Fahne hat damit einen würdigen Platz gefunden und kann, hinter Glas
geschützt,
von jedermann in der Eingangshalle des Stabsgebäudes besichtigt werden.
1988 Die überarbeitete Satzung wird 1988 von der Generalversammlung
genehmigt und in
Druck
gegeben. Jedes Mitglied erhält ein Exemplar.
Ein Handböller wird beschafft und aus Spenden
finanziert.
1995 Ein „edler Spender", der nicht genannt werden will, überweist auf
das Konto unseres
Vereins die großzügige Summe von 5.000.—DM mit der Auflage: „Erhalt und
Unterhalt des Kriegerdenkmals zu finanzieren" .
Ihm sei hiermit offiziell herzlich gedankt!
1996 Anlässlich des 120-jährigen Vereinsjubiläums gibt die Krieger- und
Soldatenkameradschaft
Martinszell am 05.11.96 ein Benefizkonzert mit dem
Luftwaffenmusikkorps 1 Neubiberg in der
Mehrzweckhalle Oberdorf.
Der Reinerlös soll der Kriegsgräberfürsorge zukommen.
Die Aktivitäten des Vereins beschränken sich nicht nur auf Ehrungen und
Versammlungen,
vielmehr kam auch die vergnügliche Seite nie zu kurz.
So gab es neben zahlreichen Kameradschaftsabenden eine ganze Reihe von
teilweise
mehrtägigen Ausflugsfahrten, die immer in bewährter Weise von Vorstand
G. Stransky
generalstabsmäßig geplant, vorbereitet und durchgeführt wurden.
Ziele in den vergangenen 20 Jahren waren u. a.:
1977 Besuch bei der Belgischen Luftwaffenschule in St. Truiden, Besuch
des
Armeemuseums und des Atomiums in Brüssel sowie Kranzniederlegung auf dem
Soldatenfriedhof in Lommel.
1981 Besuch beim Jagdgeschwader „Mölders" in Neuburg/Donau.
1983 Besuch beim Jabo-Geschwader 35 in Sobernheim, Weinprobe im Weingut
Schneider in
Bad Kreuznach, und Besuch des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers „Feld
des
Jammers" mit Kranzniederlegung.
1984 Besuch beim Aufklärungsgeschwader 51 Immelmann in Bremgarten/Baden
sowie
Besuch des Soldatenfriedhofes Cernay/Frankreich mit Kranzniederlegung.
1986 Besuch des Soldatenfriedhofes Costermano am Gardasee mit
Kranzniederlegung.
1987 Flug mit einer TRANSALL der Luftwaffe von Landsberg/Penzing nach
Rendsburg/Schleswig-Holstein, Fahrt mit dem Bus nach Kiel zum Besuch des
Marine-Stützpunktes-Ostsee. Kranzniederlegung am Marine-Ehrenmal Laboe.
1988 Besuch der Schweizer Flugwaffe beim Flugtag in Dübendorf.
1989 Besuch der Schweizer Unteroffiziervereinigung in Payerne/Kanton
Waadt mit
Vergleichsschießen und Kranzniederlegung am Ehrenmal der Stadt Payerne.
1990 Besuch des Fliegerhorstes Fassberg/Lüneburger Heide mit
Heide-Kutschfahrt und
Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal Fassberg.
1992 Zu Gast bei der Schweizer Unteroffiziervereinigung in Isone/Tessin mit
Besuch des
Calancatales und Kranzniederlegung am Ehrenmal Isone.
1993 Besuch beim Luftwaffen-Stützpunkt Straußberg , Ehrengäste im
Reichstagsgebäude,
Besuch im Schloss Sanssouci/Potsdam und Kranzniederlegung am
Kriegerdenkmal
Straußberg.
Statistik:
Im Jubiläumsjahr stellt sich die Krieger- und Soldatenkameradschaft
Martinszell wie folgt dar:
1. Vorstand: Günther Stransky
2. Vorstand: Wolfgang Brezing
Kassier: Anton Gabler
Schriftführer: Georg Mair
Beisitzer: Otto Forstenhauser, Martin Schneider
Peter Scheufele Herbert Dopfer (Fähnrich)
Harald Stransky Martin Sörgel (Kanonier)
Günther Graf Manfred Hanke
Der Verein zählt 180 eingetragene Mitglieder, davon 48 Teilnehmer im II.
Weltkrieg
93 aktive Soldaten/Reservisten
39 weiße Jahrgänge
Von den 180 Mitgliedern sind 26 Ehrenmitglieder.
Der Jahresbeitrag beträgt 15.—DM.
Nachwort
Wenn wir heute auf 120 Jahre Vereinsgeschichte mit Stolz zurückblicken
können,
bleibt uns die Verpflichtung, die Beweggründe, die für unsere
Großväter und Väter zur
Bildung unserer
Vereinigung geführt haben, nicht zu vergessen.
Auch die Vereinsgründer hatten schon erkannt, dass Kriege nur
unermessliches Leid und
Zerstörung alt überlieferter Kultur zur Folge haben.
Wir haben unsere gefallenen Kameraden nicht vergessen. Was wir tun
können und wollen,
ist,
uns mit aller Kraft für den Erhalt von Frieden und Freiheit einsetzen.
- In Treue fest -
Martinszell im November 1996
Georg Mair, Schriftführer